Der Atem in der Asana- und Meditationspraxis


Wie ein Anker ein Boot vor dem Abdriften bewahrt, sorgt die bewusste Atmung dafür, dass wir uns auf den Moment konzentrieren und unser wahres Selbst nicht aus den Augen verlieren (Thich Nhat Hana).


Über den Atem zur Stille kommen

Ein Text für Neugierige von Christiana Hinz

Die Bedeutung des Atems in unterschiedlichen Kulturen

In unterschiedlichen Kulturen hat man dem Atem besondere Bedeutung und Wirkungen zugeschrieben. Bereits im ersten Jahrhundert vor Chr. betrachteten die Menschen im chinesischen Daoismus und im Hinduismus den Atem als Lebensenergie („Qi“ bzw. „Prana“). Bei den antiken Griechen stand das Wort „Pneuma“ für den Atem und den göttlichen Geist. In Griechenland entstanden „Pneumaschulen“, die Atemtechniken zur Unterstützung des geistigen und spirituellen Wachstums lehrten. Und auch die alten Ägypter sahen im Atem ein Heilmittel und ein Tor zur Innenwelt (vgl. Hartmann, Corinna: Die Entschleunigung des Atem. unter https://www.spektrum.de/news/die-entschleunigung-des-atems/1636754 (eingesehen am 12.07.2019). Sowohl in in der Asana- als auch in der Meditationspraxis kommt dem Atem bereits seit vielen Jahrhunderten besondere Bedeutung zu.

Wechselwirkungen zwischen Körper und Atem sowie zwischen unserem Atem und dem mentalen Befinden könnten wir bereits im Alltag beobachten, wenn wir besonders aufmerksam achtsam mit uns wären: 

Durch körperliche Verspannungen insbesondere der an der Atmung beteiligten wichtigen Muskelgruppen (Quermuskel und Bauchmuskeln) kann eine tiefe Bauchatmung eingeschränkt oder sogar nicht mehr möglich sein, da das Zwerchfell sich nicht vollständig frei bewegen kann. Dabei führt jede Einschränkung des Atems zu einem flacheren Atem (vgl. Kim, Kyung-Ran: Die yogische Vollatmung. In: Deutsches Yoga-Forum 03/19. S. 25.). Darüber hinaus wird der Atem automatisch schneller und flacher, wenn wir nervös oder ängstlich sind oder Schmerzen haben. Dabei bemerken wir oft gar nicht, daß wir unter Anspannung zur Brustatmung neigt und diese dann zu einer „schlechten“ Gewohnheit wird (vgl. Hartmann, Corinna; a.a.O.). In diesem Zusammenhang beschreibt Kim unsere Gesellschaft als eine „einatmungsbetonte Gesellschaft“, in der der gesunde Rhythmus des Atmens aus dem Gleichgewicht geraten ist (vgl. Kim, Kyung-Ran; a.a.O. (03/19); S. 24). Nur wenn wir ruhig, gelassen und entspannt sind verlangsamt sich unser Atem und wird tief. Häufig fehlt uns im Alltag allerdings die Bewusstheit für unseren Atem, insbesondere wenn unsere Aufmerksamkeit auf mehrere Dinge gleichzeitig gerichtet ist - wir gleichzeitig E-Mails lesen, essen und telefonieren -, so dass wir diese Wechselwirkungen nicht wahrnehmen. 

So beschreibt auch Patanjali im Yoga-Sutra I/31, dass Hindernisse und ein zerstreuter Geist das Fühlen und Denken trüben, den Körper verspannen und den Atem unruhig werden lassen bis hin zu einem Kontrollverlust über den Atem und damit auch über die Psyche (vgl. Sriram, R.: Patanjali. Das Yogasutra. Von der Erkenntnis zur Befreiung. Theseus-Verlag, 2003; S. 61).

So ist bereits im Jahrtausende alten Text von Patanjali die Verbindung und Wechselwirkung zwischen Psyche, Körper und Atem konkret beschrieben.

In der Asana-Praxis unterscheiden sich sowohl die Atembewußtheit als auch die Atemführung wesentlich vom „Alltagsatem“. In der Meditationspraxis unterscheidet sich die Atembewußtheit wesentlich von der des „Alltagsatems“.

 

Die Bedeutung des Atems in der Asanapraxis

In den Yoga-Sutren II/49 und II/50 werden die Qualitäten des Atems im Yoga beschrieben: Der ausgewogene Atem fließt gemächlich und ohne zu stocken, er wird bewußt lang und sanft geführt (vgl. Sriram, R.; a.a.O.; S. 143f.). Der Atem ist also weder stockend, noch kurz oder flach, wie es z. B. im Alltag vorkommen kann. Der Atem im Yoga ist vielmehr ein bewußter Atem, ein bewusster Prozess des harmonischen Kommens und des Gehens, während das Atmen im Alltag eher unbewusst geschieht. 

Um Verletzungen im Yogaunterricht zu vermeiden und die Yogapraxis zur vollen Entfaltung bringen zu können, ist die Entwicklung von Körper- und Atem-Achtsamkeit von besonderer Bedeutung. Diese Vorbereitung kann in drei Schritten erfolgen (vgl. Kim, Kyung-Ran: a.a.O. (03/19); S. 24.):

(a) Vor einer Yogapraxis sollte zunächst der natürliche Grundrhythmus des Atmens durch eine Entschleunigung des u. U. gestressten Alltagsatems wiederhergestellt werden. Dieser natürliche Grundrhythmus des Atems ist m. E. dabei von einer sanft fließenden vollständigen, statt einer flachen, stoßweisen Ausatmung gekennzeichnet. Wir können in der Rückenlage unsere Aufmerksamkeit auf die Bauchdecke richten und spüren, wie sich die Bauchdecke im Rhythmus der Atmung hebt und senkt. Die Atempause nach der Ausatmung ist von besonderer Bedeutung, das Zwerchfell kann sich in dieser Atempause entspannen und es entsteht eine kurze Denkpause - sowohl Körper als auch Geist kommen für einen Moment zur Ruhe. Diese im Atemfluß wiederholt praktizierte Atempause kann uns von der unbewussten zur bewussten Atmung führen. 

(b) Im nächsten Schritt soll der Atem im Rahmen der Vorbereitung zur Praxis so sein gelassen, wie er gerade ist, d. h. der Atem soll ohne weiteres Zutun fließen, es wird ohne besondere Anstrengung ein- und ausgeatmet. Das Zwerchfell bewegt sich nun sanft und fließend mit dem Ein- und Ausatmen. Um die Bewegung des Atems gut spüren zu können, können wir unsere Hände auf den Bauch legen. Bei sehr schwacher Bauchatmung kann ein Kissen auf den Bauch gelegt werden und die Bauchatmung wird gegen das Gewicht des Kissens durchgeführt.

(c) Wenn wir dann durch die Atemvorbereitung Abstand vom Alltag bekommen haben, entspannt sind und ohne Stress und Leistungsdruck atmen können, erst dann folgt die Wahrnehmung der Atemräume. Die Atmung wird bewusst wahrgenommen, indem die Hände auf verschiedene Atemräume gelegt werden (auf den Bauch, die Rippen oder den Brustkorb). Durch das bewusste Hineinatmen in diese Atemräume und dem bewußten Wahrnehmen wird unsere Atemachtsamkeit gefördert. Diese Atemachtsamkeit fördert auch die Wahrnehmung des Atems in der Asana-Praxis, je tiefer der Atem ist, um so intensiver nehmen wir mit regelmäßiger Übung die unterschiedlichen Atemräume in der Praxis wahr. Dabei lassen mit zunehmender Atembewußtheit die unruhigen Gedanken nach (Kim, Kyung-Ran; a.a.O. (03/19); S. 24.) und der Geist kann zur Ruhe und in eine klare Ausgerichtetheit kommen.

Gerade für Anfängerinnen und Anfänger stellt diese Atemwahrnehmung und Atembewußtheit eine besondere Herausforderung dar. 

Damit unstete Gedanken während der Praxis nicht permanent die Aufmerksamkeit von der Asanapraxis im Hier und Jetzt ablenken, binden wir die Bewegung unmittelbar an den Atem an. Mit dem Fokus auf die Atmung in der Praxis wird Körper und Geist verbunden. Durch die Verbindung von Atem und Bewegung kann der Geist zur Ruhe kommen und sich der Zustand des Yoga nach Patanjali Yoga-Sutra I/2 einstellen: „yoga cittavritti nirodhah“ - der Zustand, in dem die Bewegungen des Citta in eine dynamische Stille übergeht (Sriram, R.; a.a.O.; S. 31). Die bloße Asana-Praxis, die ohne Atemachtsamkeit praktiziert wird, ist kein Yoga im eigentlichen Sinn, da der zerstreute Geist durch die Praxis nicht in eine klare Ausrichtung gebracht wird und die Praxis damit nicht über eine körperliche Ebene hinaus geht (vgl. Kim, Kyung-Ran: Die Bedeutung des Atems in der Asana-Praxis. In: Deutsches Yoga-Forum. 1/2019; S. 21.).

Für die wirkliche Yoga-Erfahrung ist die Atemachtsamkeit von wesentlicher Bedeutung. Und erst mit dem achtsamen Atem und der Beobachtung des Atems entfaltet der Atem seine Wirkung im Yoga. 

Wir lernen durch Atembeobachtung, wie unser Atem funktioniert, wann der Atem flach wird und wie sich dies auf die Psyche auswirkt. Wenn wir in der Lage sind, unsere Aufmerksamkeit auf den Atem ausgerichtet zu halten bzw. wahrnehmen, wenn unsere Gedanken abdriften und dann in der Lage sind, sie wieder zum Atem zurückzubringen, dann sind wir besser in der Lage, auch unsere Gedanken und Emotionen in einer Ausrichtung zu halten. Dann können wir auch im Alltag eher agieren, anstatt nur zu reagieren. Durch das Einüben eines natürlichen Atemrhythmus beruhigt sich der Atem nachhaltig und wird auch im Alltag tiefer und langsamer. Mit der Atembeobachtung lernen wir, uns zu konzentrieren und nach dem Abdriften der Gedanken unsere Konzentration wieder zum Atem zurückzuführen (Berufsverband der Yogalehrenden in Deutschland (e.V.) (Hersg.): a.a.O.;S. 189).

In dem wir im Alltag unbewusst Atmen, häufig mehrere Dinge gleichzeitig erledigen und die Gedanken um das Gestern und das Morgen kreisen, erfolgt eine Trennung von Sein und Tun. Die Verbindung des Körpers bzw. der Bewegung mit dem Atem und die Schulung der Atemachtsamkeit in der Asanapraxis bringen das Sein mit dem Tun wieder näher zusammen und ermöglichen die Überwindung dieser Trennung. Eine praktizierte Atemachtsamkeit im Alltag fördert dabei gleichermaßen, das Sein und Tun in der Gegenwart zu verbinden und im Hier und Jetzt zu leben. Der Zustand des Yoga kann sich dann von der Matte ins alltägliche Leben übertragen (vgl. Kim, Kyung-Ran: a.a.O. (1/19); S. 25). Durch die Verbindung des Seins mit dem Tun durch einen bewußten Atem, entsteht die dynamische Stille des Geistes, die mit ihrer Ausgerichtetheit Bewusstheit und Reflexion des eigenen Verhaltens und damit Veränderung und Entwicklung ermöglich.

 

Der Atem in der Meditationspraxis

Neben der Asanapraxis findet sich der Atem als Anker auch in unterschiedlichen Meditationsmethoden wieder: z. B. das Zählen der Atemzüge in der Zen-Tradition, das achtsame Verfolgen des Atems am zweiten Tag der zehntägigen christlichen Exerzitien nach Jalics (Ott, Ulrich: Meditation für Skeptiker. W. Barth Verlag, 2015; S. 45.) oder die im Buddhismus praktizierte Achtsamkeitsmeditation (Vipassana), die u.a. auch die Verbindung mit dem Atem, die Atembeobachtung ins Zentrum stellt (vgl.  Kornfield, Jack: Meditation für Anfänger. 10. Auflage; eBook; Arkana, München 2005).

Den Atmen als Meditationsobjekt zu verwenden bietet sich für Anfängerinnen und Anfänger, aber auch für Geübte an. Durch die Verbindung der Atmung mit körperlichen Bewegungen - wie dem Heben und Senken der Bauchdecke - und Empfindungen - wie dem kühlen Luftzug in den Nasenflügeln - kann die Aufmerksamkeit gut ausgerichtet und gehalten werden. Durch die Monotonie der Atembewegungen und Atemempfindungen ist es jedoch gerade für wenig Geübte nicht einfach, die Ausgerichtetheit auf den Atem dauerhaft zu halten. Es kommt zu einem Wechsel von Phasen der Konzentration auf den Atem und Phasen des „zerstreuten Geistes“. Es bedarf also einer regelmäßigen Übungspraxis (Ott, Ulrich; a.a.O.; S. 44f.). Die eigentliche Meditationsübung besteht für uns darin, sich laufend darüber bewußt zu werden, dass man abschweift und dann sowohl die Aufmerksamkeit wieder auf den Atem sowie auf den Körper und den Geist zu lenken (vgl. Kornfield, Jack; a.a.O.).

Der Atem als Meditationsobjekt führt die Aufmerksamkeit vom Außen in das Innen des Körpers. Durch Schließen der Augen können wir diese Fokussierung auf das Innen noch verstärken, da keine Ablenkung der Aufmerksamkeit von außen erfolgt. Die Aufmerksamkeit wird mit dem Atem in den Körper gelenkt und fördert damit die Wahrnehmung von körperlichen Empfindungen (Ott, Ulrich; a.a.O.; S. 44ff.).

Dabei unterscheidet sich z. B. die Achtsamkeitsmeditation mittels Atembeobachtung von Pranayama, da der Atem nicht gelenkt wird. Es geht vielmehr darum, den Atem zu spüren und zu erfahren ohne ihn zu beeinflussen oder bewusst zu lenken. Der Atem soll bewusst so wahrgenommen werden, wie er im Jetzt ist (Atembewußtheit) (Kornfield, Jack; a.a.O.). Ziel der Methoden ist - wie auch in der Asana-Praxis - den unsteten Geist zur Ruhe kommen zu lassen, um das was im Moment ist, bewußt und urteilsfrei wahrzunehmen und im Moment der Gegenwart zu leben.

Wissenschaftliche Untersuchungen haben gezeigt, dass atembezogene Meditationsübungen positiv auf physiologischer und emotionaler Ebene wirken und die Aufmerksamkeit verbessern. Die Verbindung von Atmung, vegetativer Erregung und Emotion sind ein guter Grund, sich für die Atmung als Meditationsobjekt zu entscheiden. Die vertiefte Atmung fördert innere Ruhe und Entspannung. Darüber hinaus wirkt sich die Atmung direkt auf die Herztätigkeit aus, indem bei der Einatmung das Herz schneller und bei der Ausatmung langsamer schlägt (vgl. Ott, Ulrich; a.a.O.; S. 48f.).

Eine große Meditationsstudie (ReSource-Projekt des Max-Planck-Instituts für Kognitions- und Neurowissenschaft) hat drei Meditationsmodule und ihre Wirkung auf Körper und Geist untersucht. In Bezug auf die Atemmeditation wurde eine deutliche Zunahme der Konzentration und ein deutlich gefühlter Stressrückgang durch die Teilnehmenden wahrgenommen, aber auch in Bezug auf die Körperwahrnehmung wurden positive Verbesserungen beobachtet (vgl. Brandstädter, Philipp: Die Kraft der Meditation. In: GEO: Ausgabe 02/2018. S. 54f.). Die Reduzierung des gefühlten Stress zeigte sich dabei in Situationen, die Prüfungssituationen ähnelten.

Überrascht hat in diesem Zusammenhang, dass die Atemmeditation sozialen Stress, der z. B. durch Angst vor Kritik an der eigenen Person oder durch Angst, den Erwartungen der Anderen nicht zu genügen, entstehen kann, nicht positiv beeinflusst. Dies erklärt die Studienleiterin damit, dass sich bei der Atemmeditation als achtsamkeitsbasierte Methode die Teilnehmenden nur auf sich selbst und ihre Wahrnehmungen konzentrieren und dies weniger auf sozial bedingte Stressfaktoren wirke. Die Herzmeditation sowie gezielte Übungen für eine achtsame Kommunikation im Zweiergespräch haben sozialen Stress deutlicher reduzieren können. Diese Meditationsmethoden förderten besonders die soziale Verbundenheit und das Mitgefühl, reduzierten den Stress insgesamt und verbesserten sowohl die Körperwahrnehmung als auch Konzentration in erheblichem Maße; vgl. Brandstätter, Philipp; a.a.O.; S. 54f sowie Singer, Tanja (Leiterin des ReSource-Projektes) im Interview mit Possmeyer, Ines: Fitness fürs Gehirn: In: GEO. Ausgabe 02/2018. S. 58f.).

 

Die positive Wirkung des bewußten Atems in der Asana- und Meditationspraxis

Wie lässt sich nun die positive Wirkung des bewußten Atmens sowie des Atems als Anker in der Asana- und Meditationspraxis erklären?

Der Atem ist der einzige Zugang des Menschen, um bewusst das vegetative Nervensystem zu beeinflussen. Für Loew, Professor für Psychosomatik und Psychiatrie am Universitätsklinikum Regensburg,  ist der bewusste Atem wesentliches gemeinsames Merkmal aller Entspannungstechniken, vom autogenen Training bis zum Yoga. Dabei wirke insbesondere die Entschleunigung der Atmung (vgl. Loew, Thomas Professor für Psychosomatik und Psychiatrie am Universitätsklinikum Regensburg in Hartmann, Corinna, a.a.O.).

Unser Atem ist ein „Spiegel“ unseres inneren Zustands. Unsere Emotionen und Empfindungen spiegeln sich direkt im Atem wider: ruhig und tief bei Entspannung oder flach und schnell bei Angst. Verantwortlich hierfür sind Sympathikus und Parasympathikus – Teile des vegetativen Nervensystems, die als Gegenspieler den Wechsel zwischen Anspannung und Entspannung in unserem Organismus steuern. Dabei wirken unsere Emotionen und Empfindungen nicht nur auf unseren Atem, sondern unser Atem kann auch unsere Empfindungen beeinflussen, so dass wir mit einem bewussten Atem auch unsere Stimmung „steuern“ können. „Atmen wir in stressigen Momenten langsam und tief ein und aus, gaukeln wir dem Körper eine Art Schlafmodus vor – ein Powernap im Wachzustand sozusagen. Und der Körper zieht nach: Der Vagusnerv, ein Teil des Parasympathikus, der etliche Organfunktionen kontrolliert, wird stimuliert und entfaltet seine beruhigende Wirkung. Herzfrequenz und Blutdruck sinken.“ (Hartmann, Corinna; a.a.O.).

Dabei haben Forscher im EEG den stärksten Gleichklang von Atmung und Hirnaktivität bei einem Atemrhythmus mit einer vier Sekunden langen Einatmung und sechs Sekunden langen Ausatmung beobachtet. Darüber hinaus zeigte sich bei 6 Atemzügen pro Minute der Einfluss des Atems auf den Herzschlag. Wesentlich sei für eine positive Wirkung, dass die Übung mindestens 11 Minuten durchgeführt wird, z. B. beim Bahnfahren, in einer Sitzung oder Abends auf der Coach. Neben den mentalen Effekten starte der Organismus beim Umschalten auf den Parasympathikus ein biologisches Reparaturprogramm, dass Zellschäden behebe und Energiereserven bereitstelle (vgl. Loew, Thomas, Professor für Psychosomatik und Psychiatrie in Hartmann, Corinna, a.a.O.).

 

Der Atem ist also sowohl in der Asana-Praxis als auch in der Meditationspraxis von besonderer Bedeutung. Dabei sollte der Atem in unserer Asana-Praxis bestimmte Qualitäten aufweisen, wir sollten ihn lang und sanft führen und  frei fließen lassen. Es handelt sich um eine aktive bewusste Atmung. Wenn wir den Atem als Meditationsobjekt wählen, dann sollen wir im Gegensatz dazu den Atem so wie er ist beobachtet und wahrnehmen. Der Atem wird also nicht gelenkt oder beeinflusst sondern möglichst ohne zu werten so angenommen wie er ist. Es handelt sich dann um eine passive bewusste Atmung.

Die Wirkungen der Atemführung und der Atemwahrnehmung in der Asana- und Meditationspraxis sind dann aber wieder ähnlich. Im Wesentlichen erfolgt durch beide Praxen die Reduzierung von Stressempfinden, die Förderung von Wohlbefinden, Entspannung, aber auch von Konzentration und Körperwahrnehmung. Durch die Verbesserung der Wahrnehmung des Atems und der Körperempfindungen (u.a. in den Atemräumen) wird insgesamt das Gefühl gestärkt, mit seinen Gedanken und seinem Tun im Hier und Jetzt zu sein. Es wird eine Ausgerichtetheit des Geistes ermöglicht, die im Sinne Patanjalis als ruhiger Geist in dynamischer Stille beschrieben werden kann. 

 

Literaturverzeichnis:

Berufsverband der Yogalehrenden in Deutschland (e.V.) (Hersg.): Der Weg des Yoga. Handbuch für Übende und Lehrende. Verlag Via Nova; 2013.

Brandstädter, Philipp: Die Kraft der Meditation. In: GEO: Ausgabe 02/2018. S.44 - S. 57.

Hartmann, Corinna: Die Entschleunigung des Atem. unter https://www.spektrum.de/news/die-entschleunigung-des-atems/1636754 (eingesehen am 12.07.2019).

Kim, Kyung-Ran: Die Bedeutung des Atems in der Asana-Praxis. In: Deutsches Yoga-Forum. 1/2019; S. 20 - 25.

Kim, Kyung-Ran: Die yogische Vollatmung. In: Deutsches Yoga-Forum 03/19. S. 24 - 29.

Kornfield, Jack: Meditation für Anfänger. 10. Auflage; eBook; Arkana, München 2005.

Ott, Ulrich: Meditation für Skeptiker. Ein Neurowissenschaftler erklärt den Weg zum selbst. W. Barth Verlag, 2015.

Singer, Tanja (Leiterin des ReSource-Projektes) im Interview mit Possmeyer, In: Fitness fürs Gehirn: In: GEO. Ausgabe 02/2018. S. 58 - 60.

Sriram, R.: Patanjali. Das Yogasutra. Von der Erkenntnis zur Befreiung. Theseus-Verlag, 2003.